Bezirksmedaille für Prof. Dr. med. Michael von Cranach

29. Oktober 2021: Herr Prof. Dr. med. von Cranach war von 1980 bis 2006 Leitender Ärztlicher Direktor des Bezirkskrankenhauses (BKH) Kaufbeuren. Für seine Verdienste um die Weiterentwicklung der psychiatrischen Versorgung sowie um die Aufarbeitung der Verbrechen der Euthanasiemorde an psychisch kranken Menschen während der NS-Zeit wurde dem 80-Jährigen im Rahmen der jüngsten Sitzung des schwäbischen Bezirkstags die Bezirksmedaille verliehen.
Bezirkstagspräsident Martin Sailer (links) überreichte Prof. Dr. med. Michael von Cranach die Bezirksmedaille.

1975 wurde der vom Bundestag in Auftrag gegebene „Bericht über die Lage der Psychiatrie in der Bundesrepublik Deutschland“ von der beauftragten Sachverständigenkommission vorgelegt. Diese empfahl unter anderem die Förderung von Beratungsdiensten und Selbsthilfegruppen, eine gemeindenahe Versorgung, die Umstrukturierung der großen psychiatrischen Krankenhäuser sowie die Gleichstellung somatisch und psychisch Kranker. Für die Umsetzung dieser Empfehlungen im Bezirk Schwaben war von Cranach als Leitender Ärztlicher Direktor entscheidender Initiator und Motor. Auf sein Betreiben hin wurde die empfohlene Dezentralisierung und Reformen am BKH Kaufbeuren durch Gründungen der BKHs Kempten (1986) und Memmingen (1994) sowie der Tagesklinik Lindau (1992) umgesetzt. Auch wurden eine psychiatrische Familienpflege, ambulante Dienste und Wohnheime für psychisch kranke Menschen in Kaufbeuren und Umgebung gegründet, damals als Teile des BKH und heute des Unternehmensbereichs „Wohnen und Fördern“ der Bezirkskliniken. Mit beteiligt war von Cranach ebenfalls an der Einführung von Projekten wie „Blaue Blume“, die seit dem Jahr 2002 eine gemeindenahe Versorgung älterer Menschen mit psychischen Erkrankungen ermöglicht.

„Herr von Cranach hat innerhalb und außerhalb der Klinik ein neues Verständnis der Rollen von Patientinnen und Patienten, Angehörigen und Therapeutinnen und Therapeuten gefördert, weg von einem paternalistischen Verständnis psychiatrischer Therapie hin zu einem gleichgestellten Trialog auf Augenhöhe“, so Bezirkstagspräsident Martin Sailer. „Die individuellen Bedürfnisse, die Freiheitsrechte und die Würde psychisch kranker Menschen standen und stehen stets im Zentrum seines Denkens und Wirkens.“

Dies zeigen auch von Cranachs Einsatz für und Verdienste um die Aufklärung, wissenschaftliche Aufarbeitung und Auseinandersetzung mit den „Euthanasie“ Krankenmorden während der NS-Zeit – nicht nur am Standort Kaufbeuren, sondern weltweit. Er erforschte die Geschichte der ehemaligen Heil- und Pflegeanstalt und ihre Rolle im Rahmen der Krankenmorde. Heute befindet sich im BKH Kaufbeuren eines der bedeutendsten Historischen Archive mit etwa 25.000 Akten zum Krankheitsverlauf von nahezu allen Patientinnen und Patienten, die zwischen 1849 und den 1950er Jahren dort behandelt wurden. Die Veröffentlichung seiner Ergebnisse setzte eine Aufarbeitung der NS Verbrechen in allen bayerischen Psychiatrien in Gang, zudem konzipierte er die weltweit beachtete Ausstellung „In Memoriam“ über die Euthanasiemorde in der Zeit der Nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Mit seinem bis heute andauernden Engagement für Aufklärung und Erinnerungskultur erwarb sich von Cranach auch international hohes Ansehen.

Beim Deutschen Ärztetag 2021 wurde von Cranach für seine Verdienste die Paracelsus-Medaille verliehen, die höchste von diesem Gremium zu vergebene Auszeichnung. Nun erhielt von Cranach mit der Bezirksmedaille die höchste Auszeichnung, die der Bezirk Schwaben zu vergeben hat.