Bezirkstagspräsident Reichert informiert sich über Förderung und Pflege von Schlaganfallpatienten und Schädelhirnverletzten im Allgäu

30. Juli 2018: Kempten (mori). Ein schwerer Unfall mit Einblutungen im Hirn oder ein Schlaganfall – plötzlich ist alles anders. In der Region gibt es jährlich etwa einen Versorgungsbedarf von 2800 Menschen mit neurologischen Krankheitsbildern. In den Allgäuer Werkstätten werden diese Frauen und Männer nach der Reha in einer speziellen Gruppe für „Menschen mit erworbener Hirnschädigung“ individuell gefördert. Sie erfahren dort ein Stück Normalität durch einen Arbeitsalltag, der ihr Leben wieder strukturiert. In der Station II für Schädelhirnverletzte im Wilhelm-Löhe-Haus der Diakonie Kempten Allgäu geht es in erster Linie um Pflege. Aber auch hier kann die Selbsthilfekompetenz oft soweit wieder hergestellt werden, dass es bei einem vorübergehenden Aufenthalt bleibt. Jetzt besuchte Bezirkstagspräsident Jürgen Reichert zusammen mit Bezirksrätin Renate Deniffel beide Einrichtungen, unterhielt sich mit Patienten, schaute sich das Arbeits- und Pflegeumfeld an.
Bezirkstagspräsident Jürgen Reichert, Renate Deniffel, Pflegedienstleitung Mathilde Neher-Lieberka, Einrichtungsleiterin Regina Weiß und Diakonie-Chefin Indra Baier-Müller (von links) besuchten auch einen der Bewohner des Wohnbereichs II.

Kornelia Brams, Fachbereichsleitung in der Einrichtung Steufzgen der Allgäuer Werkstätten, informierte die beiden Gäste. 22 Mitarbeiter mit erworbener Hirnschädigung durch Schädel-Hirn-Trauma, Schlaganfall usw. arbeiten derzeit in der Werkstatt Steufzgen. Hier sind hauptsächlich Menschen mit körperlichen Einschränkungen beschäftigt, das heißt hier ist der Unterstützungsbedarf ohnehin höher. „Daher ist ein verbesserter Personalschlüssel in dieser Gruppe notwendig“, so Brams.

Da es aufgrund der medizinischen Entwicklung immer mehr solche „Quereinsteiger“ gibt, braucht es auch verstärkt eigene Konzepte für diesen Personenkreis – ähnlich wie auch bei den Menschen mit Autismusspektrumstörung, meinte Geschäftsführer Michael Hauke. Bezirkstagspräsident Jürgen Reichert weiß das und will daher beispielsweise noch in seiner Amtszeit eine Regelförderung für die Betroffenen im Bezirk und bei den Kostenträgern durchbringen.

Einige der Mitarbeiter mit erworbener Hirnschädigung arbeiten in der Montage, andere im Lettershop oder in der Küche. Einer von ihnen war früher Koch. Der 55-Jährige hat nach einem Schlaganfall sein Zeitgefühl verloren und ist teilweise gelähmt. „Bis ich hier Arbeit gefunden habe, habe ich nur da gesessen und die Wand angeschaut. Ich hatte jede Perspektive verloren“, erzählt er Reichert. „Hier kann ich endlich wieder etwas Sinnvolles schaffen.“

22 Plätze für Wachkoma-Patienten hat das Wilhelm-Löhe-Haus im Wohnbereich II. In dem Alten- und Pflegeheim der Diakonie Kempten Allgäu mit insgesamt 100 Plätzen werden schädel-hirn-verletzte Personen versorgt – von 20 bis über 80 Jahren. Entstanden ist die Station vor rund 20 Jahren aus einer engen Kooperation mit dem Therapiezentrum Burgau. Einmal monatlich kommt von dort ein Facharzt zur Visite ins Löhehaus. Eng ist auch der Kontakt zur Villa Viva, einer Einrichtung für neurologische Rehabilitation. „Für uns ist es wichtig, die Wachkoma-Patienten am Lebens zu beteiligen“, erzählt Wohnbereichsleitung Angela Schnalke.

Indra Baier-Müller, Geschäftsführerin der Diakonie, weiß noch gut, wie im vergangenen Jahr „der ganze Wohnbereich auf die Allgäuer Festwoche geschoben wurde“. So verlassen auch alle täglich das Bett. Aktionen und Veranstaltungen im Haus werden ohnehin gern wahrgenommen. Die Kommunikation, welche auch nonverbal stattfindet, „klappt gut“.

Auf jeden Fall steht im Wohnbereich II auch der Fokus darauf, bestehende Fertigkeiten weiter zu fördern. So bleiben viele auch nur vorübergehend und können mit ihren zurückerworbenen Kompetenzen wieder nach Hause.

Sorgen macht Geschäftsführerin Indra Baier-Müller die Sanierung des Altbaus. Gehe man nach der neuesten „Rollstuhlgerechtigkeit“ könnte man die bisherigen 100 Gesamtplätze nicht halten. Auch die Finanzierung ist ein Thema. „Denn wenn wir die Sanierung allein stemmen müssen, wäre unser Traditionshaus nicht mehr konkurrenzfähig, da wir die Kosten auf die Bewohner umlegen müssten und damit zu teuer wären.“

Bezirkstagspräsident Jürgen Reichert und Bezirksrätin Renate Deniffel nahmen die Anregungen und Sorgen aus den Werkstätten und der Diakonie mit. Reichert versprach: „Ich versuche, in meiner bald endenden Amtszeit noch einiges auf den Weg zu bringen, damit zumindest für die nächsten Jahre eine gewisse Sicherheit entsteht.“ Reichert steht für eine erneute Kandidatur nicht mehr zur Verfügung.