Eine Operation als letztes Mittel

29. März 2023: Rückenbeschwerden können auf vielfache Art behandelt werden. Am besten ist es, etwas zu tun, damit Schmerzen erst gar nicht auftreten. Was, das erfuhren etwa 100 Besucherinnen und Besucher beim Tag der Rückengesundheit im BKH Günzburg.
Die Referenten (von links) Prof. Christian Rainer Wirtz, Dr. Jens Engelke, Dr. Christian Grimm, Dr. Martin Schack, Bild: Georg Schalk, Bezirkskliniken Schwaben

Viele Menschen mit Rückenschmerzen wenden sich deshalb nicht ans Krankenhaus, weil sie Angst haben, dort gleich unters Messer zu kommen. Dabei ist die Operation am Bezirkskrankenhaus (BKH) Günzburg „das letzte Mittel, wenn es gar nicht mehr anders geht“, versicherten unisono alle Referenten beim „Tag der Rückengesundheit“. „Wir machen hier viel am Standort mit seinem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) und seinen Kliniken: Wir tun unser Bestes, dass alle rückengesund bleiben oder wieder werden“, betonte Prof. Christian Rainer Wirtz, Facharzt für Neurochirurgie und Ärztlicher Direktor der Klinik für Neurochirurgie am BKH.

Etwa 100 Interessierte kamen in den Festsaal des BKH, um sich beim Tag der Rückengesundheit anzuhören, was vier Fachleute der Bezirkskliniken Schwaben zum Thema zu sagen hatten. Ausrichter der Veranstaltung - die zweite ihrer Art und die erste nach der Corona-Pandemie – war das örtliche MVZ für Neurologie und Neurochirurgie.

Sein ärztlicher Leiter Dr. Jens Engelke beschäftigte sich in seinem Vortrag mit der Wirbelsäule und ihren Belastungen. So erzeuge gerades Sitzen 90 Prozent Druck auf die Bandscheiben, falsches Sitzen 160 Prozent. Bei korrektem Heben betrage der Druck 340 Prozent und beim falschen Heben mit Rundrücken gar 450 Prozent. Bei einer Arthrose, also wenn die schützende Knorpelschicht im Gelenk dünner wird, sei eine Abnutzung nicht gleichbedeutend mit Schmerz. „Schwere und Abnutzung sind nicht unbedingt eine Frage des Lebensalters“, zitierte der Facharzt für Neurochirurgie aus Studien. Er empfahl Sport und Bewegung, die eigenen Ansprüche dabei jedoch nicht so hoch zu setzen.

Auch Prof. Wirtz betonte, dass man gar nicht früh genug mit Bewegung beginnen könne. „Und es nie zu spät sei, damit anzufangen.“ Während in jüngeren Jahren die Stabilität unter anderem mit Kraftübungen verstärkt werden kann, helfen später Gleichgewichtsübungen. Dabei sollte nicht nur die Rückenmuskulatur trainiert werden, so der Mediziner, sondern auch die Bänder, Sehnen und Faszien.
Die Zahl an Menschen, die wegen Rückenbeschwerden beruflich ausfallen, ist hoch. Dafür gibt es eine ganze Reihe von Ursachen. Beim Hexenschuss (Lumbago), ein akuter Kreuzschmerz, sollte konservativ behandelt werden, empfahl Prof. Wirtz: mit Wärme, Bewegung (keine Bettruhe!), entzündungshemmenden Medikamenten und Krankengymnastik. Ähnliches gilt für eine Ischialgie, ein Schmerz im Bein, der vom Ischias-Nerv ausgeht. Auch hier erst mal konservativ behandeln, so der Klinikdirektor.

Selbst ein Bandscheibenvorfall sei kein Grund, gleich zu operieren. „Die meisten Bandscheibenvorfälle bilden sich zurück. Ruhigstellen, medikamentöse Schmerzlinderung, Physiotherapie, Krankengymnastik, Mobilisierung und Infiltration“, sind die Therapieansätze, die Prof. Wirtz hierfür anführte. „Wenn die Schmerzen zu groß werden und es gar nicht mehr anders geht, sollte über einen Eingriff nachgedacht werden. In jedem Fall entscheidet der Patient (mit)“, sagte der Neurochirurg. Dabei sei wichtig, wie stark der Betroffene seine Lebensqualität eingeschränkt sieht.

Über das Rückgrat (Wirbelsäule) referierte Dr. Christian Grimm. Der Facharzt für Neurochirurgie stellte fest, dass „Vorbeugen besser als Heilen ist“. „Die beste OP ist die, die nicht gemacht werden muss.“ Ein Bandscheibenvorfall komme zwar häufig vor, sei jedoch ungefährlich und prognostisch günstig. „90 Prozent der Betroffenen sind nach sechs Wochen wieder arbeitsfähig“, so Dr. Grimm.
In die weite Welt der Medikation bei Rückenschmerzen führte Dr. Martin Schack, Facharzt für Neurologie. Was wann und wie lange eingenommen werden sollte, hänge unter anderem davon ab, ob der Schmerz akut oder chronisch ist und wie heftig er auftritt. Die Medikation sei ein Baustein unter ganz vielen Bausteinen. Zu einer umfassenden, multimodalen Behandlung zählten auch Physiotherapie, Gymnastik, Ernährung (unter Umständen Gewichtsreduktion), ggf. Psychotherapie, Prozessoptimierung am Arbeitsplatz, Eigentraining der Rückenmuskulatur und als Ultima Ratio eine Operation, so Dr. Schack. Seine Botschaft lautete: „Ausbrüche verhindern, Prophylaxe betreiben!“