Bei der Personalvertretung geht eine Ära zu Ende

26. April 2024: Wolfgang Heinlein wurde acht Mal in Folge als Vorsitzender am BKH Kaufbeuren gewählt und steht seit Unternehmensgründung der Bezirkskliniken Schwaben an der Spitze des Gesamtpersonalrates. Nun geht der überzeugte Allgäuer in den Ruhestand.
Der 64-Jährige vor einem imposanten Wandbild im Besprechungsraum des Personalratsbüros am BKH Kaufbeuren Bild: Georg Schalk, Bezirkskliniken Schwaben

Junge Fußballfans kannten lange Zeit keinen anderen deutschen Meister als den FC Bayern München. Das hat sich in diesem Jahr geändert: Bayer Leverkusen holte den Titel. Die meisten der 4500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bezirkskliniken Schwaben kennen keinen anderen Vorsitzenden des Gesamtpersonalrates als Wolfgang Heinlein. Seit der Unternehmensgründung 2008 übt er diese Funktion aus. Am Bezirkskrankenhaus (BKH) Kaufbeuren, das zu den Bezirkskliniken gehört, ist der Zeitraum noch größer: Hier steht Heinlein seit 30 Jahren ununterbrochen an der Spitze der örtlichen Personalvertretung. Acht Mal in Folge wurde er gewählt. Diese Ära endet bald: Der 64-Jährige geht in Ruhestand.

Offiziell scheidet Heinlein zum 30. Juni 2024 aus seinem aktiven Berufsleben aus. Tatsächlich wird er sich bereits am 27. Mai verabschieden. „An diesem Tag findet am BKH noch eine Personalversammlung statt. Das wird gleichzeitig mein letzter Arbeitstag sein“, verrät der engagierte Vertreter von Arbeitnehmern-Interessen.

Ortstermin im Büro der Personalvertretung, das sich im Erdgeschoss des BKH-Hauptgebäudes befindet. Auf die Frage, wie es ihm geht, antwortet Heinlein spontan: „Gut. Ich werde immer entspannter.“ Dabei lacht er und blickt in den Raum. „Was haben in den vergangenen 30 Jahren hier schon für hochintensive, emotionale Gespräche stattgefunden“, sinniert er, „und wer hier schon alles saß…“

Dass er über eine so lange Zeit die Geschicke des Gesundheitsunternehmens entscheidend mitprägen würde, daran hatte der gebürtige Marktoberdorfer bei seinem Eintritt am 15. März 1987 ins Unternehmen natürlich nicht gedacht. Er startete als Facharbeiter Maler und Lackierer. „Ich bin sieben Jahre auf jede Station und in jeden Bereich gekommen und habe die Leute kennengelernt. Das war für meine spätere Tätigkeit von Vorteil“, blickt Heinlein zurück.

1990 wurde er als Vertreter der Gruppe der Arbeiter erstmals in den Personalrat gewählt. Zwei Jahre später übernahm er die Werkstatt-Leitung der BKH-Malerei, ehe er 1994 zum ersten Mal Vorsitzender der örtlichen Arbeitnehmervertretung wurde. Diese war mit der hundertprozentigen Freistellung von dienstlichen Tätigkeiten verbunden. 

Personalratstätigkeit bedeutet, sich im Dschungel von Arbeits-, Sozial- und Tarifrecht auszukennen. Heinlein absolvierte in der Folgezeit „eine Unmenge an Schulungen“, viele davon am Wochenende. „Es war immer mein Anspruch, mit dem Arbeitgeber auf Augenhöhe zu kommunizieren. Das bedeutet, sich fachlich auszukennen. Ich wollte, dass der PR-Vorsitzende als kompetenter Ansprechpartner akzeptiert wird“, so der 64-Jährige. Dazu benötige man ein breites Netzwerk, das er sich intern wie extern aufgebaut hat. „Das hat mir viel geholfen, ich habe große Unterstützung erfahren.“

1998 wurde er als erster stellvertretender Vorsitzender des Gesamtpersonalrates der schwäbischen BKH gewählt. Mit Unternehmensgründung stieg er zum Vorsitzenden des Gremiums auf. Außerdem war er im Jahr 2002 Gründungsmitglied der Arbeitsgemeinschaft der Gesamtpersonalräte bei den bayerischen Bezirken (AGBB). Zu dieser Zeit engagierte Heinlein sich auch bereits als Referent für das ver.di-Bildungswerk Bayern und hielt Vorträge/Schulungen über Tarif-, Arbeitsrecht und das Bayerische Personalvertretungsgesetz (BayPVG).

Es waren spannende Zeiten. Nicht nur, dass die schwäbischen BKH von Regie- zu Eigenbetrieben umgewandelt wurden und später in das Kommunalunternehmen Bezirkskliniken Schwaben übergingen. In den Jahren 2001/2002 drohte sogar die Auflösung der bayerischen Bezirke und in den Folgejahren der Austritt des Bezirks aus dem Arbeitgeberverband. „Da gab es immens viel zu tun und intensive Gespräche zu führen. Langweilig ist es jedenfalls nie geworden“, sagt der scheidende BKH-Mitarbeiter, der auch beim Kreisverband und auf bayerischer Ebene der damaligen Gewerkschaft ÖTV Führungsaufgaben übernommen hatte.

Heinlein hat trotz aller Herausforderungen stets geschätzt, „es jeden Tag mit anderen Menschen und Aufgaben zu tun zu haben“. „Schön ist und war auch, mit unseren Arbeitgebervertretern nie ideologische Gespräche oder gar Kampfthemen besprechen zu müssen.“ Jede Seite habe zwar ihre Argumente vorgebracht. Am Ende habe man sich aber stets auf die für das Gesundheitsunternehmen und die Beschäftigten bestmögliche und machbare Lösung geeinigt. Davon profitierten auch die Patientinnen und Patienten: „Ich habe schon das Gefühl, dass die Qualität der Versorgung sich über die Jahre verändert hat“, sagt er.

Heinlein könnte Bücher schreiben, so viel hat er während seines langen, bisweilen herausfordernden Berufslebens erlebt. Eine Anekdote zaubert ihm bis heute ein Lächeln ins Gesicht. Als es um die Organisation eines Betriebsausfluges ging, machte sich eine Vorhut aus Kaufbeuren Richtung Kochelsee auf. Dort inspizierte die Delegation eine Gastwirtschaft am Berg und fragte an, ob sie am Tag des Ausflugs für ein paar BKH-Wanderer, die dort eventuell einkehren würden, ein Weißwurstfrühstück anbieten könne. Der Gastwirt sagte zu. Das Problem war nur: Er hatte es so verstanden, dass er für fünf Busse voller Menschen Weißwürste bereitstellen müsse, was er auch tat. In Wirklichkeit kam aber nur ein gutes Dutzend BKH-Mitarbeiter. „Da mussten wir anschließend noch einiges klären“, berichtet Heinlein.

Den Blick über den Tellerrand hinaus haben ihm einige seiner ehrenamtlichen Tätigkeiten verschafft. Von 1996 bis 2000 war er ehrenamtlicher Arbeitsrichter am Arbeitsgericht Kempten, anschließend 20 Jahre ehrenamtlicher Arbeitsrichter am Landesarbeitsgericht München. „Zwei hochinteressante Aufgaben“, findet er. Seit 1996 ist Heinlein Mitglied im Beirat und zusätzlich seit 2018 im Widerspruchsausschuss der AOK-Direktion Kaufbeuren. Und beim TV 1858 Kaufbeuren, dem zweitgrößten Verein der Stadt mit mehr als 2000 Mitgliedern, engagierte er sich 15 Jahre im Vorstand, davon sechs Jahre als Vorsitzender.          

Seit 1987 ist der örtliche Personalratsvorsitzende Mitglied der Betriebssportgemeinschaft (BSG) am BKH. Hier übte er schon die Funktionen als Kassenwart und Spartenleiter Tischtennis aus und gründete 2004 die Sparte Motorrad. Der leidenschaftliche Motorradfahrer („Ich fahre mehr Kilometer mit meiner Yamaha Tracer als mit dem Auto.“) hat zahlreiche Touren geplant und mit seinen Kollegen durchgeführt und Fahrtsicherheitstrainings für eine externe Organisation ausgerichtet.

Heinlein wohnt mit seiner Frau schon viele Jahre in Kaufbeuren. Die beiden gemeinsamen Töchter sind längst erwachsen und haben eigene Familien. Für die Zukunft wünscht sich er sich „Gesundheit, Zufriedenheit und ein langes Leben“. „Seinem“ BKH will er verbunden bleiben und immer mal wieder an Treffen der Ehemaligen teilnehmen. Das Beste hat er nach eigenen Angaben bereits erreicht: ein Allgäuer zu sein. „Mehr als ein Allgäuer kann ein Mensch nicht werden“, sagt er mit einem breiten Grinsen. 

Seine Nachfolgerin als Gesamtpersonalratsvorsitzende ist Sigrid Malik vom BKH Günzburg. Im örtlichen Personalrat ist Winfried Schuster sein direkter Nachfolger als Vorsitzender.