Bezirkskrankenhaus Günzburg: Diagnose Hirntumor – Auswirkungen und moderne Wege der Therapie und Begleitung

03. Juli 2025: Hirntumoren zählen mit etwa zwei Prozent zu den seltenen Krebserkrankungen – ihre Diagnose stellt Betroffene vor gravierende Herausforderungen. Der Alltag verändert sich abrupt, die eigene Rolle innerhalb von Familie und Beruf wird erschüttert. Auch Angehörige sind stark betroffen.
Bei einer Veranstaltung im BKH Günzburg zum Welthirntumortag informierten u. a. (v. l.) Prof. R. König, Ch. Viereck, S. Otto und Dr. G. Durner über Auswirkungen und moderne Wege der Therapie und Begleitung von Menschen mit Hirntumor. - Foto: Georg Schalk

„Aus diesem Grund haben wir in diesem Jahr unsere Informationsveranstaltung zum Welthirntumortag bewusst unter das Thema „Lebensqualität im Fokus – gemeinsam stark“ gestellt, leitete Prof. Dr. König, Leitender Oberarzt der Klinik für Neurochirurgie am Bezirkskrankenhaus (BKH) Günzburg ein. Die Klinik ist Teil des von der Deutschen Krebsgesellschaft zertifizierten Neuroonkologischen Zentrums und auf die Behandlung von Hirntumoren spezialisiert.

„Viele Betroffene suchen aktiv nach Orientierung und Unterstützung“, berichtete Diplom-Psychologin Christiane Viereck von ihrer Arbeit in der Spezialambulanz für Psychoonkologie am Universitätsklinikum Ulm. Neben der medizinischen Behandlung gewinnen psychosoziale Aspekte wie Lebensqualität, emotionale Stabilität und alltagsnahe Unterstützung zunehmend an Bedeutung. „Niemand ist alleine krank“, so Viereck, „Familienmitglieder sind die Quelle der Unterstützung“. Allerdings betreffe ein Hirntumor immer das gesamte System: „Es ist wie ein Mobile: alle sind untereinander verbunden. Wackelt einer, dann wackeln alle.“ Typische Symptome wie Angst, Schlafstörungen, kognitive Einschränkungen oder Rückzug seien oft Ausdruck tiefer Verunsicherung. Orientierung, klare Abläufe und Geduld seien essenzielle Elemente der Begleitung. Viereck empfahl ergänzend die psychosoziale Krebsberatungsstelle Ulm als Anlaufstelle.

Ein weiterer zentraler Beitrag kam von Dr. Stephanie Otto. Die Diplom-Sportwissenschaftlerin betonte den präventiven und rehabilitativen Nutzen regelmäßiger Bewegung: „Schon einfache, aber regelmäßig durchgeführte Übungen wie wiederholtes Aufstehen oder Wandliegestütze können viel bewirken – körperlich wie seelisch.“

Auch die tumorassoziierte Epilepsie wurde thematisiert. „Bis zu 60 Prozent der Patientinnen und Patienten erleben im Verlauf epileptische Anfälle“, erklärte Prof. Dr. Michael Ertl, Ärztlicher Direktor der Klinik für Neurologie. Tumoren stören das neuronale Gleichgewicht – vergleichbar mit einem fehlerhaften Stromkreis. Wichtig sei, Anfälle genau zu beobachten und zu dokumentieren. Dank moderner Medikamente bestünden heute gute Chancen auf Anfallsfreiheit. „Unser Ziel bleibt eine stabile Lebensqualität“, so Ertl.

Dr. Gregor Durner, Leiter des nTMS-Labors der Neurochirurgischen Klinik, stellte die navigierte transkranielle Magnetstimulation (nTMS) vor – ein Verfahren zur präoperativen Kartierung sprach- und motorrelevanter Hirnareale. „So lassen sich funktionell kritische Regionen identifizieren und in die OP-Planung integrieren.“ Neu ist der therapeutische Einsatz der Methode in der Frührehabilitation bei postoperativen Ausfällen. Im Fokus steht die sogenannte onko-funktionelle Balance – also die maximale Tumorresektion bei gleichzeitigem Funktionserhalt. „Erste Studien und eigene Erfahrungen zeigen ermutigende Ergebnisse“, so Durner.

Prof. Dr. Jan Coburger, Oberarzt der Klinik und Leiter der deutschlandweiten, multizentrischen Registerstudie für niedriggradige Hirntumore, berichtete über erste Ergebnisse zur Lebensqualität der betroffenen Patienten. Solche Register sind wichtig, um belastbare Zahlen und Aussagen zu diesen seltenen Tumorentitäten zu erhalten. Über die vielen Zentren, die beteiligt sind, sind mittlerweile mehr als 500 Patientinnen und Patienten registriert. Coburger informierte über den Verlauf der Patienten, deren Lebensqualität innerhalb der ersten zwei Jahre nach OP, insbesondere durch eine anschließende Chemotherapie, beeinträchtigt sei, diese sich aber - trotz des anfänglich tiefen Tals – sehr gut erholten. „Das ist sehr ermutigend!“, sagte Prof. Coburger.