Prognose: Haushalt des Bezirks droht heuer womöglich 100-Millionen-Euro-Defizit
Dem Bezirk Schwaben fehlen heuer voraussichtlich bis zu 100 Millionen Euro in der Haushaltskasse – zu diesem Ergebnis kommt die Finanzverwaltung des Bezirks in einer vorläufigen Schätzung, die sie am Donnerstag im Bezirksausschuss in Augsburg präsentiert hat. „Angesichts unserer Aufgaben und der damit verbundenen Ausgaben war schon zu Beginn des Jahres klar, dass unser Haushalt auf Kante genäht ist“, so Bezirkstagspräsident Martin Sailer am Rande der Sitzung. „Ohne auskömmlichere Finanzierung durch den Bund und den Freistaat wird es in Zukunft nicht mehr gehen.“
Schon 2024 fehlten dem Haushalt rund 100 Millionen Euro
Der Bezirk hatte Anfang dieses Jahres den Hebesatz der Bezirksumlage von 21,2 auf 25 Prozent erhöht und einen Rekordhaushalt von rund 1,102 Milliarden Euro Gesamtvolumen verabschiedet. Grund für die Erhöhung war die dramatische Haushaltslage im Vorjahr: Um ein drohendes Defizit abzuwenden, musste der Bezirk 2024 rund 89 Millionen Euro aus seinen Rücklagen entnehmen. Trotz dieser Maßnahme stand am Ende ein Fehlbetrag in Höhe von 12 Millionen Euro zu Buche. Der Jahresrechnung für 2024 zufolge, welche die Finanzverwaltung im Bezirksausschuss vorstellte, ergibt das insgesamt einen Fehlbetrag von rund 101 Millionen Euro. Heuer droht dem Bezirk ein Defizit in ähnlicher Höhe.
Wie sich das Defizit zusammensetzt
Hauptverantwortlich für das drohende Haushaltsloch sind – wie im Vorjahr – vor allem sinkende Einnahmen und wachsende Ausgaben im Sozialbereich. 2024 belasteten die Leistungen „Hilfe zur Pflege“ und „Eingliederungshilfe“ den Haushalt bereits zusätzlich um rund 50 Millionen Euro. Heuer rechnen die Sozial- und die Finanzverwaltung des Bezirks in der „Eingliederungshilfe“ mit Mehrausgaben in Höhe von 56 Millionen Euro. „Wenn wir sinkende Einnahmen und steigende Ausgaben gegenrechnen, bleibt am Ende ein Haushalt, der erneut mit rund 100 Millionen Euro unterfinanziert ist“, erklärt Bezirkskämmerer Martin Seitz. „Sollte sich die Lage im Laufe des Jahres noch bessern, liegt das Defizit vermutlich bestenfalls bei 75 Millionen Euro.“
Warum die Kosten ansteigen
Ein großer Anteil der wachsenden Ausgaben entfällt auf Personalkosten in sozialen Berufen. „Dass Fachkräfte angemessen entlohnt werden, ist wichtig und richtig“, betont Bezirkstagspräsident Sailer. Richtig sei aber auch, dass die Tarifabschlüsse zugunsten der Beschäftigten vollumfänglich vom der Bezirk refinanziert werden müssten. Für den Zeitraum von 2023 bis 2025 haben allein die Lohnsteigerungen eine Kostensteigerung von bis zu 24 Prozent verursacht – höhere Lohnnebenkosten, tarifliche oder vertragliche Sonderregelungen und ähnliche Faktoren sind dabei noch nicht vollständig berücksichtigt.
Welche Rolle hohe Sozialstandards spielen
Neben den steigenden Tarifabschlüssen sorgen der Fachkräftemangel und hohe Standards für zusätzliche Ausgaben. Als Beispiel nennt Sailer die sogenannte Heimrichtlinie des Freistaats Bayern. Sie sieht vor, dass Wohnheime und Heilpädagogische Tagesstätten deutlich mehr Fachpersonal für dieselbe Anzahl Kinder und Jugendliche einsetzen müssen. „Das Ergebnis ist leider oft, dass Einrichtungen weniger jungen Menschen die nötige Betreuung geben können und zugleich höhere Kosten verursachen“, so Sailer. „Mir fällt zum Beispiel eine Heilpädagogische Tagesstätte aus Südschwaben ein, die die Richtlinie umgesetzt hat und deren Angebot für weniger Kinder um fast 30 Prozent teurer geworden ist.“
„Unrealistische Standards reduzieren.“
„Die Heimrichtlinie und auch das Bundesteilhabegesetz sind Beispiele für gut gemeinte Gesetze, die aber in der Realität oft nicht so wirksam sind, wie sich der Gesetzgeber das erhofft hat“, sagt Sailer. „Aus finanzieller Sicht und im Interesse der betroffenen Menschen müssen wir unrealistische Standards reduzieren.“ Das Bundesteilhabegesetz (BTHG) stärke den individuellen Anspruch von Menschen mit Behinderung auf Teilhabe und Selbstbestimmung, sei aber aufgrund der begrenzten Fachkräfte kaum umsetzbar. Die Heimrichtlinie versuche, die Qualität der Betreuung zu verbessern, reduziere aber faktisch die Anzahl der betreuten Kinder.
Höhere Bedarfe als noch vor zehn Jahren
„Immer mehr Bürgerinnen und Bürger brauchen eine intensive Einzelbetreuung als noch vor zehn Jahren“, so Sailer. „Im Einzelfall können die Kosten hierfür mitunter bei jährlich rund 430.000 Euro liegen. Die höheren Bedarfe können oft nur mit viel Fachpersonal gedeckt werden, das an anderer Stelle fehlt.“ Sailer fordert den Bund auf, die „Eingliederungshilfe“ und die „Hilfe zur Pflege“ zu vereinfachen und die Abschlüsse ausländischer Fachkräfte schneller anzuerkennen. Das A und O sei aber eine auskömmlichere Finanzierung der Bezirke, betont der Bezirkstagspräsident von Schwaben: „Der Bund beschließt teure Gesetze, die von den Kommunen umgesetzt und bezahlt werden müssen. Die Last muss gerechter verteilt werden.“
Welche Folgen das Defizit haben kann
„Wenn sich diese Entwicklung fortsetzt – und danach sieht es aus –, sind die sozialen Folgen enorm“, warnt Sailer. „Mehr als 90 Prozent unserer Ausgaben entfallen auf soziale Pflichtaufgaben, die wir nicht einsparen können. Höhere Kosten treffen über die Umlage unsere Städte und Landkreise und damit letztendlich das gesellschaftliche Leben in den Gemeinden.“ Die eigenen finanziellen Reserven des Bezirks sind aufgebraucht. Bereits 2024 drohte ein Rekord-Defizit, weshalb der Bezirk rund 89 Millionen Euro Rücklagen eingesetzt und seine Reserven auf ein gesetzlich notwendiges Minimum reduziert hatte. Zudem nahm der Bezirk Kredite in Höhe von 14 Millionen Euro auf. Um für das kommende Jahr einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen zu können, ist heuer entweder eine weitere Erhöhung der Bezirksumlage oder steigende Ausgleichszahlungen durch den Freistaat nötig. Ersteres ist aus Sicht des Bezirkstagspräsidenten unausweichlich: „Wir haben unseren Umlagezahlern schon im vergangenen Jahr signalisiert, dass wir um eine weitere Erhöhung der Umlage in Höhe von mindestens zwei Prozentpunkten nicht herumkommen werden“, sagte Sailer.
Welche Aufgaben der Bezirk erfüllt
Der Bezirk Schwaben übernimmt als dritte kommunale Ebene Aufgaben, die über die Zuständigkeiten der Gemeinden, Landkreise und kreisfreien Städte hinausgehen. Im Bereich Soziales und Gesundheit unterstützt der Bezirk Menschen mit Behinderung im Alltag, leistet Hilfe zur Pflege und betreibt das eigenständige Kommunalunternehmen, die Bezirkskliniken Schwaben. Zu seinen weiteren Aufgaben zählen die Bereiche Kultur und Heimatpflege, Jugend und Bildung, Natur und Umwelt sowie Europa.
Landkreise und kreisfreie Städte bezahlen Bezirksumlage
Seine Aufgaben finanziert der Bezirk Schwaben im Wesentlichen über die Bezirksumlage. Einnahmen aus der Bezirksumlage decken regelmäßig zwischen 65 und 70 Prozent des Verwaltungshaushalts. Weitere Einnahmen ergeben sich aus Ausgleichszahlungen des Freistaats Bayern oder anderen Einnahmen des Bezirks, beispielsweise seiner Museen. Die Berechnung der Bezirksumlage richtet sich nach der so genannten Umlagekraft der Landkreise und kreisfreien Städte. Die Umlagekraft setzt sich zusammen aus den Steuerkraftzahlen des Vorvorjahres und 80 Prozent der Gemeindeschlüsselzuweisungen des Vorjahres. Die Umlagekraft multipliziert mit dem Hebesatz ergibt die Bezirksumlage.
Der Trendberechnung des Bayerischen Landesamtes für Statistik zufolge wird die Umlagekraft Schwabens 2026 um 7,4 Prozent wachsen. Dieses Wachstum liegt über dem bayerischen Durchschnitt von 4,6 Prozent. Bei einem bisherigen Hebesatz von 25 Prozent würde der Bezirk im kommenden Jahr 56 Millionen Euro mehr über die Bezirksumlage erhalten. Weil die Umlagekraft in Schwaben überdurchschnittlich wachsen würde, würde jedoch gleichzeitig die Einnahmen durch den Finanzausgleich des Freistaats sinken. Dem Bezirkshaushalt stünden dann 2026 in der Summe sogar zehn Millionen Euro weniger zur Verfügung.