Aktionsfeld B: Erziehung und Bildung

  • Artikel 7 „Kinder mit Behinderungen“
  • Artikel 23 „Achtung der Wohnung und der Familie“
  • Artikel 24 „Bildung“

Die UN-BRK fordert die Vertragsstaaten auf, gleichwertige Lebensbedingungen für Kinder mit und ohne Behinderung herzustellen (vgl. Artikel 7 Satz 1 und Artikel 23 Satz 3). Dabei spielen Faktoren wie Erziehung und Familie ebenso wie Bildung eine zentrale Rolle.

Bildung bedeutet, sich Wissen, Fähigkeiten, Handlungskompetenzen und formale Abschlüsse anzueignen. Sie ist deshalb in jedem Lebensabschnitt eine entscheidende soziale Ressource für gesellschaftliche Teilhabe. Bildung beeinflusst zudem mit dem Erwerb von Bildungsabschlüssen ­wesentlich den sozialen und beruflichen Status im späteren Lebensverlauf. Bildungsgerechtigkeit für Menschen mit Behinderung in Deutschland herzustellen, ist bis jetzt nicht ausreichend gelungen. Der Schul- und Bildungsweg von Kindern mit Behinderung ist oftmals vorgezeichnet. Im vorschulischen Bereich gelingt Inklusion in Regelkindergärten sehr gut. Dies ändert sich ­spätestens mit dem Schuleintritt; das gilt auch in Schwaben. Die Mehrheit der Kinder und Jugendlichen mit Behinderung besucht Sonder- und ­Förderschulen. Je geringer der Schulabschluss und je höher der Grad der Beeinträchtigung, desto weniger ist die Chance auf berufliche und soziale Teilhabe im Erwachsenenalter gegeben.

Bildung ist nicht nur auf den schulischen und vorschulischen Bereich beschränkt. Sie umfasst die gesamte Lebensspanne mit beruflicher Bildung, Hochschulausbildung sowie Erwachsenenbildung (lebenslanges Lernen) und schließt ebenso außerschulische Bildungsangebote wie beispielsweise Volkshochschulkurse und Musikunterricht ein. Dementsprechend hat sie eine persönlichkeitsbildende Dimension und schafft Voraussetzungen für eine selbstbestimmte und aktive Teilhabe in der Gesellschaft.

Die UN-BRK verpflichtet die Vertragsstaaten in Artikel 24, Menschen mit Behinderung gleiche Bildungschancen wie Menschen ohne Behinderung zu garantieren. Die Vertragsstaaten sind aufgefordert, ihre Bildungsstrukturen und -einrichtungen inklusiv und barrierefrei zu ge­stalten, damit Menschen mit und ohne Behinderung in gleichem Maße davon profitieren können. Für den Ausbau eines inklusiven (Schul-)Bildungssystems sind der Bund, aber vor allem die Länder zuständig. Lediglich individuelle Unterstützungsleistungen für Kinder und Jugendliche mit Behinderung – z. B. die Schulbegleitung – fallen in die Zuständigkeit der Eingliederungshilfe als „Leistungen zur Teilhabe an Bildung“. Die Monitoring-Stelle für die UN-BRK fordert, alle Leistungen für eine inklusive Bildung bei den Kultus- und Bildungsministerien zu bündeln, damit keine unklaren Zielsetzungen und ­Zuständigkeiten die Inklusion schwächen. Auch der Bayerische Bezirketag fordert seit langem, das inklusive Schulsystem so auf- und auszubauen, dass junge Menschen mit Behinderung – sofern möglich – ohne den Einsatz individueller Schulbegleitung auskommen. Im Bezirk ­Schwaben und im Bezirk Mittelfranken gibt es Versuche an ausgewählten Schulen, dieses Ziel durch verschiedene Pool-Modelle von Schul­begleitungen zu erreichen.

Die UN-BRK schreibt im Artikel 7 Satz 1 fest, dass es Kindern mit und ohne Behinderung möglich sein sollte, gleichberechtigt ihre Grund­freiheiten zu genießen. Die rechtliche und sachliche ­Zuständigkeit für Kinder und Jugendliche ist in Deutschland bis dato entlang der Behinderungsart geregelt. Für Kinder und Jugendliche mit (drohender) körper­licher und geistiger Behinderung wird das SGB IX angewendet und für (drohende) seelische Behinderung das SGB VIII. Aus dieser Einteilung ergeben sich Unterschiede bei der Leistungsgewährung und vereinzelt ­Abgrenzungs- und Definitions­probleme für Behörden. Diese Situation kann sowohl für die Familien als auch für die Verwaltung einen ­erhöhten Aufwand verursachen und die ­schnelle, bedarfsgerechte Unterstützungsleistung erschweren. Mit dem 2021 ver­abschiedeten Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) sind die Weichen für eine einheitliche Zuständigkeit gestellt: Alle Leistungen der Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche sollen im SGB VIII zusammengeführt werden. Dieser Reformprozess soll bis zum Jahr 2028 in mehreren Schritten vollzogen werden. Ein entscheidender Schritt wird mit der Einführung von sogenannten „Verfahrenslotsen“ am 01.01.2024 getan. Diese sollen allen Eltern sowie jungen Menschen mit (drohender) Behinderung als Ansprechperson für das Antragsverfahren zur Verfügung stehen und diese dabei unterstützen, beraten und begleiten. Durch ein besonderes, spätestens 2027 zu erlassendes Bundesgesetz soll die Zuständigkeit für alle Eingliederungshilfeleistungen für ­Kinder und Jugendliche bei den Trägern der ­Kinder- und Jugendhilfe zusammengefasst werden, also den Landkreisen und kreis­freien Städten. Dies bedingt – nicht nur in der Übergangszeit – eine verstärkte Zusammenarbeit der Bezirke mit den Jugendämtern.

Der Gesetzgeber hat aber nicht nur Familien mit Kindern mit Behinderung im Blick, sondern auch Kinder von Eltern mit Behinderungen. Im Artikel 23 der UN-BRK wird der Schutz von Partnerschaft, Ehe, Familie und Elternschaft für Menschen mit Behinderungen in gleichem Maß gefordert wie für Menschen ohne Behinderungen. Dabei hebt er insbesondere die Unterstützung von Eltern mit Behinderungen hervor, damit diese ihre Elternpflichten uneingeschränkt erfüllen können. Denn Kinder von Eltern mit Behinderungen sollen genauso in ihrer Familie bzw. bei ihrem Elternteil aufwachsen können wie alle anderen Kinder. ­Eltern mit Behinderungen haben deswegen grundsätzlich den gleichen Anspruch wie Eltern ohne Behinderungen auf Hilfen zur Erziehung sowie zusätzlich auf Assistenzleistungen zur Versorgung und Betreuung ihrer Kinder.

Dem Bezirk Schwaben ist es ein großes Anliegen, Familien mit Behinderung zu unterstützen,
indem er Maßnahmen in die Wege leitet, durch welche die ­Erziehung gestärkt wird. So erarbeitet er gemeinsam mit den Ämtern für Kinder, Jugend und ­Familie Kriterien, um die „Begleitete Elternschaft“ für Eltern mit Behinderungen und deren Kinder gut zu gestalten.

Zudem unterstützt er den Aufbau von Kurzzeitpflegeplätzen für Kinder und Jugendliche, damit Eltern ­Entlastung erfahren und so gestärkt wieder in den Alltag zurückkehren können. Der Bezirk Schwaben möchte zugleich Familien auch von unnötigen bürokratischen Anforderungen ent­lasten. Deswegen wird er beispielsweise die Einführung des neuen „Verfahrenslotsen“ des SGB VIII mit allen notwendigen Schritten unter­stützen. Nicht zuletzt versucht er im Rahmen seiner Zuständigkeit für die „Leistungen zur Teilhabe an Bildung“ zu verbesserten Rahmenbedingungen für die (vor-)schulische Bildung ­beizutragen, indem er die Leistungsvereinbarungen gemeinsam mit den Trägern für die Schulbegleiter anpasst und Unterstützung beim Ausbau der Heilpädagogischen Tagesstätten leistet.

Nr. Maßnahme Federführende Steuerung Beteiligung Zeitrahmen
B1 Kriterien für die Ausgestaltung von „Begleiteter Elternschaft“ festlegen und Rahmenbedingungen in Kooperation mit den zuständigen Ämtern für Familie, Kinder und Jugend festlegen. Sachgebiet Pflegesatz Sachgebiet Sozialpädagogisch Medizinischer Dienst, Ämter für Jugend und Familie In Bearbeitung
B2 Begleitete Elternschaft: Auslotung der Möglichkeiten zur Umsetzung eines Modellprojektes in Zusammenarbeit mit der Stadt Augsburg und geeigneten Trägern. Sachgebiet Pflegesatz Mögliche Kooperationspartner In Bearbeitung
B3 Den Aufbau einer Kurzzeitpflegeeinrichtung für Kinder und Jugendliche mit Behinderung unterstützen. Sachgebiet Pflegesatz Stabsstelle Soziale Projekte In Bearbeitung
Nr. Maßnahme Federführende Steuerung Beteiligung Zeitrahmen
B4 Unterstützung beim Auf- und Ausbau von Heilpädagogischen Tagesstätten im vorschulischen Bereich. Sachgebiet Pflegesatz Träger, Verbände, Sozialverwaltung Ab 2022
B5 Erarbeitung verbesserter Rahmenbedingungen der Schulbegleitung im Rahmen der Bezirkskommission Eingliederungshilfe. Sachgebiet Pflegesatz Bezirkskommission, Gesundheits- und Sozialausschuss In Bearbeitung
Nr. Maßnahme Federführende Steuerung Beteiligung Zeitrahmen
B6 Maßnahmen zur Unterstützung der Einführung des Verfahrenslotsen nach dem SGB VIII bei den Kinder- und Jugendämtern. Sachgebiet Kinder und Jugendliche Sachgebiet Sozialpädagogisch- Medizinischer Dienst, Sachgebiet Pflegesatz, Kinder- und Jugendämter In Bearbeitung
B7 Einführung des Case-Managements im Bereich Kinder und Jugendliche in besonders komplex gelagerten Fallkonstellationen. Sachgebiet Sozialpädagogisch Medizinischer Dienst Sachgebiet Pflegesatz, Sachgebiet Kinder und Jugendliche Ab 2022
B8 Abstimmung einer Kooperationsvereinbarung mit Ämtern für Kinder, Jugend und Familie zur eindeutigen Klärung von Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten bei der Begleitung von Pflegefamilien, die Kinder mit Behinderung aufnehmen. Sozialverwaltung Ämter für Kinder, Jugend und Familie 2023