Aktionsplan Inklusion des Bezirks Schwaben

Allgemeines

Sieben Aktionsfelder, über 100 Maßnahmen: Der Aktionsplan Inklusion des Bezirks Schwaben schreibt fest, wie der Bezirk Schwaben Teilhabe in Zukunft weiter vorantreibt und welche Schritte in den Abteilungen der Behörde geplant sind.

Die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen (im weiteren Text „UN-BRK“), die am 13. Dezember 2006 von der Generalversammlung verabschiedet wurde, greift die Allgemeine Erklärung der Menschen­rechte auf und passt diese auf den Kontext Behinderung an. Sie schafft somit keine „Sonderrechte“ für Menschen mit Behinderung, vielmehr konkretisiert sie diese für deren Situation und deren Lebenslagen. Die Rechte auf Selbstbestimmung, unabhängige Lebensführung, Beteiligung und die volle und umfängliche Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, werden auf grundlegende Lebensbereiche wie zum Beispiel Arbeit, Bildung, medizinische Versorgung, politische Mitbestimmung etc. angewandt. Menschen mit Einschränkungen werden durch die UN-BRK als Teil der menschlichen Vielfalt anerkannt und in die Gesellschaft gleichberechtigt einbezogen. Das bedeutet Inklusion. Mit dieser Einstellung geht auch ein grundlegendes Umdenken bei der Definition von Behinderung einher. Sie wird nicht mehr als eine unveränderliche Eigenschaft einer Person verstanden, sondern als ein veränderbarer Zustand, der durch die Wechselwirkung zwischen der Beeinträchtigung der Person und Barrieren in der Umwelt entsteht. Mit dieser Haltung vollzieht sich ein Paradigmenwechsel in der Behindertenpolitik.

2009 trat die UN-BRK in Deutschland in Kraft und ist dadurch Bestandteil des deutschen Rechtssystems geworden. Sie ist verpflichtend für alle staatlichen Stellen, also auch für den Bezirk Schwaben. Bund, Länder und Gemeinden müssen sich mit allen Maßnahmen, die Menschen mit Behinderung betreffen, an den Maßstäben der UN-BRK orientieren. Behindertenpolitik ist demgemäß nicht nur Teil der Sozialpolitik und Aufgabe des Sozial- und Gesundheitswesens, sondern ein gesamtgesellschaftliches Anliegen. Zwar lässt sich nicht ein unmittelbar subjektiv einklagbarer Rechtsanspruch aufgrund der allgemein gehaltenen Artikel der UN-BRK ableiten, doch betrifft sie mit ihren universellen Leitprämissen – der vollen und wirksamen Teilhabe, der Nichtdiskriminierung, der Chancengleichheit und Selbstbestimmung sowie der Zugänglichkeit – alle gesellschaftlichen Bereiche: vom Verkehrs-, Bau-, Bildungswesen, über die Arbeitswelt bis hin zum Ehrenamt, Sport-, Tourismus-, Freizeit- und Kulturbereich. Gesellschaftliche Strukturen müssen sich verändern, damit alle Menschen ohne Barrieren selbstverständlich ihren Platz in der Gesellschaft finden können. In Deutschland sind deswegen seit der Ratifizierung viele Aktionsplä­ne zur Umsetzung der UN-BRK von verschiedenen staatlichen Stellen, Institutionen und Organisationen verabschiedet worden. Auch der Bezirk Schwaben, als dritte kommunale Ebene und als wichtiger Träger der Eingliederungshilfe, ist aufgerufen, zur Umsetzung der UN-BRK beizutragen. Deswegen hat der Bezirkstag bereits 2010 Leitlinien zum Umgang mit der UN-BRK beschlossen und 2014 seinen ersten Aktionsplan Inklusion verabschiedet. Dieser wurde im Jahr 2016 aktualisiert und mit der vorliegenden Version 2022 fort­geschrieben.

Gelingende Inklusion ist aber letztendlich nicht nur eine Frage von Gesetzen und Regelungen, sondern auch eine Frage der persönlichen Haltung eines jeden Einzelnen. Inklusion muss sich in der Gesellschaft im persönlichen Zusammenleben verankern, denn gelebte Teilhabe ist eine Bereicherung für alle Menschen.

Die Prämissen der UN-BRK erforderten eine Neuausrichtung in der Sozialgesetzgebung, die der Gesetzgeber mit der Verabschiedung des Bundesteilhabegesetz (im weiteren Text „BTHG“) vollzogen hat. Das BTHG ist ein Artikelgesetz, das sowohl Änderungen in der Eingliederungshilfe, der Sozialhilfe als auch in der Kinder- und Jugendhilfe bewirke. Mit der Verabschiedung des BTHG setzte der Bund eine große sozialpolitische Reform um, die sich über mehrere Jahre mit verschiedenen Schritten vollzieht. Ein wichtiger Aspekt war dabei die Herauslösung der Eingliederungshilfe aus der Sozialhilfe. Der Bund entwickelt somit die Eingliederungshilfe in ein modernes Teilhabe- und ­Rehabilitationsrecht weiter. Dies betrifft den Bezirk als einen zentralen Träger der Eingliederungshilfe in besonderer Weise. Mit dem neuen Teilhabe- und Gesamtplanverfahren ist mehr Mitbestimmung von Menschen mit Behinderung möglich. Die Position der Leistungsempfänger/-innen wurde gestärkt. Die ursprünglich einrichtungsorientierte Voll­versorgung nach dem SGB XII wurde mit der dritten Reformstufe in eine personenzentrierte Leistungserbringung umgewandelt. Dementsprechend sind Assistenzleistungen keine Pauschalleistungen der ­Betreuung mehr, sondern individuelle Unterstützungsleistungen der Teilhabe. Die dritte Reformstufe schaffte zudem im Bereich Teilhabe am Arbeitsleben weitere Modelle und mehr Möglichkeiten als bisher für Menschen mit Behinderung.

Die Ratifizierung der UN-BRK hat auch Folgen für das Kinder- und Jugendrecht. Bis zum Jahr 2028 möchte der Gesetzgeber die Zuständigkeiten für Kinder und Jugendliche mit (drohender) seelischer oder körperlicher bzw. geistiger Behinderung und deren Familien vereinheitlichen.

Alle Eingliederungsleistungen sollen dann – unabhängig von der Art der Behinderung des ­Kindes bzw. der/des Jugendlichen – im Kinder- und Jugendrecht (SGB VIII) verankert werden. Familien mit Kindern mit Behinderung sollen dadurch entlastet werden und Leistungen aus einer Hand erhalten können.

Die Umsetzung des BTHG ist umfänglich. Sie braucht Zeit und erfordert von allen Beteiligten, seitens der Leistungsträger, der Leistungs­erbringer aber auch der Leistungsempfänger/-innen, Veränderungen. 

Inklusion ist eine feste Prämisse im Leitbild des Bezirk Schwaben. Mit dieser Fortschreibung des Aktionsplans Inklusion 2022 möchte der Bezirk einen Beitrag zur weiteren Umsetzung der UN-BRK und dem „Gelebt werden“ seines Leitbildes leisten. Der Aktionsplan Inklusion soll deutlich machen, dass Inklusion nicht ausschließlich ein Thema der Eingliederungshilfe ist. Inklusion – im Sinne von veränderten gesellschaftlichen Strukturen – ist eine Querschnittsaufgabe aller Bereiche. Deswegen hat der Bezirk Schwaben mit dem Aktionsplan 2022 abteilungsübergreifende Handlungsstrategien verabschiedet, mit denen er Fortschritte bei der Inklusion erzielen will. Als Arbeitgeber hat er sich dabei nicht ausgenommen. Die Inhalte spiegeln sich auch in den Werten seines Leitbildes wider. Die Maßnahmen knüpfen an bestehende Strukturen an und entwickeln diese weiter. Mit diesem Aktionsplan fokussiert der Bezirk bewusst auch Themen, die ihn als Ver­waltungsbörde, Kulturförderer sowie in seiner Rolle als Arbeitgeber betreffen. Zu den Inhalten haben auch Menschen mit Behinderung aus der Region mit ihren Ideen und Anregungen beigetragen.

Ziel des Aktionsplans ist zum einem die breite Verankerung der Themen Inklusion und UN-BRK beim Bezirk Schwaben. Der Aktionsplan soll zur Bewusstseinsbildung intern wie extern beitragen und zeigen, was der Bezirk mit seinen verschiedenen Facetten und Aufgabenfeldern zum Thema Inklusion bereits unternimmt bzw. angehen will. Der Aktionsplan soll über die menschenrecht­liche Perspektive des Themas Inklusion aufklären. Zum anderen soll er eine Basis, für die weitere abteilungsübergreifende Arbeit an der Umsetzung der UN-BRK schaffen. Denn die Umsetzung der UN-BRK ist in der Praxis ein kontinuierlicher gemeinsamer Veränderungsprozess. Das wichtigste Anliegen dieses Aktionsplans ist jedoch, konkret zur Verbesserung der Situation von Menschen mit Behinderung beizutragen.

Dieser Aktionsplan besteht aus folgenden sieben Aktionsfeldern:

Alle Aktionsfelder erklären jeweils zu Beginn die Bedeutsamkeit des Themas für die Umsetzung der Inklusion aus menschenrechtlicher ­Perspektive. Im Anschluss wird aufgezeigt, welche gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen es zu dem jeweiligen Themenfeld gibt und welche Herausforderungen weiterhin bestehen. Anschließend wird erläutert, mit welchen Handlungsstrategien und Maßnahmen der Bezirk zur Umsetzung der Themenfelder beitragen möchte.

Im Schlussteil wird skizziert, wie der Aktionsplan entstanden ist und wer an der Erstellung beteiligt war. Außerdem wird ein Ausblick gegeben, wie es mit der Umsetzung und Fortschreibung des Aktionsplans weitergehen wird. (zum Fazit und Ausblick)

 

Fazit und ­Ausblick

Der Bezirk Schwaben verfügt auf Grundlage von politischen Beschlüssen des ­Gesundheits- und Sozialausschusses bereits seit dem Jahr 2014 über einen Aktionsplan Inklusion, der 2016 redaktionell überarbeitet wurde. Diese zweite Fortschreibung „Aktionsplan 2022“ beruht auf einem Beschluss des Gesundheits- und Sozialausschusses vom 21. März 2019. Diese ist auf Initiative und unter maßgeblicher Beteiligung und Unterstützung des Beauftragten für Menschen mit Behinderung und Inklusion, Volkmar Thumser, entstanden.

Dem Bezirk war es wichtig, in diesen Prozess, möglichst viele Sichtweisen einzubeziehen, zu beteiligen und ihn breit zu verankern. Im Jahr 2019 wurde eine Steuerungsgruppe bestehend aus Bezirksräten/-innen und Vertreter/-innen der Sozialverbände gegründet, die an der ­Erstellung beteiligt war und welche die ­spätere Umsetzung begleiten wird. Ein zentraler Aspekt war die Beteiligung von Menschen mit Behinderung: Sie hatten im November 2019 die Möglichkeit, ihre Ideen und Wünsche für den Aktionsplan im Rahmen eines Fachtags in „World-Cafés“ einzubringen. Im Jahr ­darauf organisierte der Bezirk mit Menschen mit Hörbeeinträchtigung einen Workshop zum Aktionsplan Inklusion.

Die bei diesen beiden Veranstaltungen gesammelten Wünsche, Ideen und Anregungen galten als Ausgangsbasis für die weitere Arbeit. Eine interne Arbeits­gruppe der Sozialverwaltung beschäftigte sich mit den Anliegen und mit der Frage, wie diese auf den Bezirk übertragen werden können. Andere Abteilungen des Bezirks wurden mit eingebunden, denn der Bezirk versteht Inklusion als gesellschaftliche Querschnittsaufgabe. Aktionsfelder wie „Kultur und Freizeit“, „Barrierefreiheit“ oder auch „Arbeit und Beschäftigung“ wurden abteilungsübergreifend bearbeitet. Synergien ergaben sich auch aus bereits bestehenden bzw. aus der Entwicklung des Aktionsplans ent­standenen Arbeitsgruppen, die mit ihrer Arbeit zu den Handlungsstrategien und Maßnahmen beigetragen haben. Die Ergebnisse wurden nun in dem Aktionsplan Inklusion gebündelt und vom Gesundheits- und Sozialausschuss im September 2022 verabschiedet.

Mit dem Aktionsplan 2022 war es dem Bezirk wichtig, basierend auf den Wünschen und Bedürfnissen von Menschen mit ­Behinderung, neue Impulse und Akzente zu setzen. Die ­Besonderheit bei dieser ­Fortschreibung ist, dass zum ersten Mal nicht nur die ­Sozialverwaltung am Fort­schreibungsprozess beteiligt war, sondern auch weitere Fachbereiche wie die Personal­stelle, die Personal­entwicklung, der Arbeits- und Gesundheitsschutz, die Presse- und ­Öffentlichkeitsarbeit, das Marketing & ­Design, die Kulturabteilung sowie die ­Abteilung Bau, Energie und Umwelt.

Mit den neu eingeführten Aktionsfeldern „Barrierefreiheit“, „Bewusstseinsbildung und Beteiligungsformate“ sowie „Sozialraumorientierung“ und „Kultur und Freizeit“ greift der Bezirk bewusst wesentliche Leitprämissen der UN-BRK und des BTHG auf und bricht sie im Aktionsplan auf konkrete Handlungsempfehlungen herunter. In diesen Handlungsfeldern rücken die Veränderungen von gesellschaftlichen Strukturen in den Vordergrund, die erforderlich sind, um die UN-BRK zu verwirklichen. Die Entwicklung von neuen inklusiven Strukturen hat ein großes Innovationspotential, für die gesamte Gesellschaft im Allgemeinen und für den ­Bezirk Schwaben im Speziellen.

Der Aktionsplan 2022 bietet einen Orientierungsrahmen dafür. Die Maßnahmen ­knüpfen an das Leitbild, bestehende Vorhaben und ­Visionen des Bezirks an. Unter Berücksichtigung der zeitlichen und finanziellen ­Ressourcen sollen diese in einem kontinuierlichen Entwicklungsprozess umgesetzt werden. Wie die Entwicklung bei den einzelnen Maßnahmen vorankommt und welche Fortschritte in den Aktionsfeldern erzielt werden, wird regel­mäßig ausgewertet. Eine weitere Fortschreibung des Aktions­planes ist angedacht.